Unsere Rede zum Haushalt 2022

Unser Fraktionsvorsitzender Hubert Kersting hielt in der Ratssitzung am 29.03.2022 folgende Rede zum Haushalt 2022:

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Voss, sehr geehrte Herren Beigeordnete, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herrn der Presse, sehr geehrte Damen und Herren im Zuschauerraum,

Zunächst möchte ich Herrn Althoff und seinem Team für die Erstellung des umfangreichen Haushalts mit den detaillierten Informationen zu den einzelnen Budgets danken. Weiter bedanken wir uns für die Bereitschaft der Bürgermeisterin und den Herren Beigeordneten Althoff, Leuker und Hammwöhner unserer Fraktion in einer mehrstündigen Klausur umfassend Rede und Antwort zum Haushalt zu stehen.

Die UWG-Fraktion stellt den Haushalt in diesem Jahr unter das Thema „Herausforderungen“. Wir fragen uns: Gibt der Haushalt 2022 den bestehenden Herausforderungen Klimakrise, Coronakrise, Ukrainekrise, Energiekrise, Digitalisierung für die Stadt Ahaus die richtigen Antworten.

Vor über 2 Jahren war die Welt von einem Tag auf den anderen vom Corona-Virus getroffen. Unter einem Lockdown, das Herunterfahren des öffentlichen Lebens das Reduzieren von Kontakten, kann sich nun nach mehreren Wellen jeder etwas vorstellen.

Bis zum 24. Februar konnten wir durch die hohe Impfbereitschaft auf einen fast normalen Sommer hoffen. Aber mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ist die Welt wieder auf den Kopf gestellt. Millionen Flüchtlinge, meistens Kinder und ihre Mütter fliehen vor dem Krieg und suchen Zuflucht in der EU. Auch in Ahaus sind schon über 100 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine eingetroffen und es werden mehr werden. Die Stadtgemeinschaft wird gefordert. Verwaltung, Verbände und viele Freiwillige kümmern sich um erste Unterkunft, Lebensunterhalt und die Kommunikation mit der Heimat. Erschütternde Erlebnisse und Trennung der Familien müssen verarbeitet werden. Psychologische Betreuung ist zu organisieren. Wann eine Rückkehr in die zerstörte Heimat möglich wird, ist völlig offen. Auf einen längeren Aufenthalt müssen sich alle einstellen.

Deutsch lernen, Schule besuchen, Arbeit finden, Wohnung einrichten; vieles ist zu organisieren. Hier müssen Lösungen auch unorthodoxe, gefunden werden. Die Verwaltung ist zusammen mit vielen Freiwilligen gefordert. Schon jetzt möchten wir den Dank an alle aussprechen, die sich jetzt und in Zukunft engagieren. Zu erwarten ist, dass die Stadt in erhebliche Vorleistungen gehen muss, unabhängig davon ob sie dann vom Land oder Bund erstattet werden

Welche wirtschaftlichen Umwälzungen mit der Ukrainekrise verbunden sind, ist völlig offen. Preise steigen in breiter Front. Der Blick auf die aktuellen Tankstellenpreise lässt erahnen, welche Kosten für Strom und Heizung auf die Ahauser Haushalte zukommen.

Die Hoffnung besteht, dass vom Bund und Land Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, die es sozialschwachen ermöglichen, ihre Strom- und Gasrechnungen bezahlen zu können. Möglicherweise muss ein städtisches Sonderprogramm aufgelegt werden, damit es nicht zu größeren Strom- und Gasabschaltungen von einzelnen Haushalten kommt. Die UWG wird diese Situation beobachten und frühzeitig Lösungen anmahnen.

Die enormen Energiepreissteigerungen werden auch auf den städtischen Haushalt zukommen. Zum einen wegen der städtischen Immobilien, zum anderen wegen der Heimathäuser und Sportheime in Vereinsträgerschaft. Hier sind erhöhte Energiekostenzuschüsse spätestens im nächsten Haushalt vorzusehen.

In meiner Rede zum Haushalt 2021 sprach ich die Unsicherheit auf der Einnahmenseite gerade bei den Gewerbesteuereinahmen an. Die breit aufgestellten Ahauser Wirtschaft konnte überwiegend der Corona-Krise trotzen.

Die vorläufige Endabrechnung für 2021 weist einen unerwarteten Überschuss von über 10 Mio. € aus, so dass keine Kredite trotz umfangreicher Investitionen aufgenommen werden mussten.

Die absehbaren Verwerfungen in den Lieferketten und den internationalen Absatzmärkten, die enormen Preissteigerungen werden die heimische Wirtschaft stärker als die Coronakrise treffen. Nicht nur die Ausgabenseite, sondern auch die Einnahmenseite der Stadt Ahaus stehen wegen der aktuellen Lage unter erheblicher Unsicherheit.

Seit Jahren besteht ein unerledigter Investitionsbauch. In den Haushalten der Vorjahre beschlossene Projekte können von der Verwaltung nur mit Verzögerung umgesetzt werden. Mit den im Haushalt geplanten Technikerstellen in der Immobilienabteilung sind wir sehr einverstanden, weil die Umsetzung dadurch beschleunigt wird. Denn die notwenigen Investitionen reißen nicht ab. Ein erheblicher Sanierungsbedarf gerade in den Schulen mit ihren teilweise 50 Jahre alten Turnhallen muss abgearbeitet werden. Zusätzlicher Raumbedarf für die immer mehr in Anspruch genommene Ganztagsbetreuung in Kitas und Schulen muss geschaffen werden.

In den meisten Grundschulen in Ahaus ist die Anzahl der Anmeldungen für die OGS

Und die 8-13 Betreuung erheblich höher als der Schulentwicklungsplan es vorgesehen haben. Um Abweisungen von Schülern zu vermeiden müssen dringend intelligente Lösungen gefunden werden. Hierzu gehören optimierte Raumnutzung innerhalb der Schulgebäude und der Einsatz von Containern.

Die Entwicklung CO2 Kennziffern in den letzten Jahren geht nach oben. Die Klimaneutralität des Städtischen Gebäudebestandes ist in weiter Ferne. Mit der Sanierung der städtischen Immobilien muss eine merkliche CO2-Einsparung eingeleitet werden. Maßnahmen wie höhere Energiestandards, effizientere Heizungs- und Lüftungstechnik, Eigenstromerzeugung durch Photovoltaik und Speicherung, Wärmepumpen und Hybride Lösungen sind obwohl teurer, aber erheblich zukunftssicherer und klimawirksamer wie die bisherige Vorgehensweise.

Neubauaktivitäten müssen sich am Passivhausstandard orientieren.

Weiter muss der Ausbau des Radverkehrs gehen. Wir sehen den Ausbau der Wessumer Straße, der nun kurzfristig starten soll, als eine wegweisende Lösung innerhalb eine 30 km/Std. Geschwindigkeitsbegrenzung Autos und Fahrräder in einer Spur ohne Überholmöglichkeit zu führen. Unser Unmut richtet sich gegen die beteiligten Behörden, die die Notwendigkeit der 30 km/Std. Begrenzung nicht sehen.

Die neue Stadthalle ist die Plattform für ein attraktives, vielfältiges Kulturprogramm. Sie ist eine Bürgerhalle in der professionelle Events und qualitativ hochwertige Veranstaltungen verschiedener Ahauser Vereinen, Schulen und Initiativen stattfinden. Die technischen Möglichkeiten sind hervorragend. Die Flexibilität ermöglicht eine hohe Auslastung, die wir Coronabedingt in den letzten 2 Jahren nicht ausnutzen konnten. In der letzten Woche stand in der Münsterlandzeitung ein aufschlussreiches Interview mit Norbert Boom, der 30 Jahre lang in Personalunion Hausmeister der Stadthalle und der Bernsmannskampschule war. Veranstaltungen in der Stadthalle waren jahrelang mit viel Einsatz und Enthusiasmus defacto eine Alleinveranstaltung von Herrn Boom und Frau Karras als Kulturverantwortliche.

Wir haben jetzt das Kulturquadrat mit der Stadthalle und ihren über 700 Plätzen, das Foyer, die Tonhalle. Die Villa van Delden steht für Versammlungen, Vorträge und Ausstellungen zur Verfügung. Das Logo kann auch für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden. 2 Museen im Schloss und die Überlegungen zu einem jüdischen Museum sind weitere Projekte in der Kulturarbeit. Auch die Ortsteile mit Ihren Heimatvereinen, Musikvereinen, Theatergruppen, Chören brauchen Ansprechpartner für Terminierung, Planung und Technik. So stehen die Heimathäuser für kleinere Veranstaltungen bereit. Ein volles Haus in der Stadthalle erfordert allein aus Sicherheitsgründen die durchgehende Anwesenheit von autorisiertem und qualifiziertem Fachpersonal.

Eine 16 Millionen teure Stadthalle kann nicht wie eine Schützenhalle geführt werden. Aufschließen, Schlüssel übergeben und den Rest macht der jeweilige Veranstalter in Eigenregie, das geht dort.

Die im Haushaltsplan vorgelegte Erweiterung des Kulturbereichs um 1,5 Stellen für Organisation, Marketing und Ansprechpartner für Vereine und Verbände sind aus unserer Sicht notwendig. Einkauf externer Leistungen für Verwaltung und Betreuung der Kulturstätten ist die teurere Lösung.

Schwierigkeiten haben wir mit dem Fällen von 50 Bäumen am Bahnhofvorplatz. Die Gründe sind für einen zukunftsfähigen öffentlichen Nahverkehr zum Teil nachvollziehbar. Uns ist aber die Kompensation mit 35 Bäumen bei weitem nicht ausreichend.

Wir begrüßen die Überlegungen zu einem Aufforstungsprogramm auf städtischen Flächen. Vor einiger Zeit kam die Anregung dazu durch uns. Kompensation des Flächenverbrauch durch ökologische Aufwertung innerhalb der Stadtgrenzen ist wie die Ausweitung des Blühwiesenprogramms und die Anpflanzung von Obstbäumen an Wirtschaftswegen ein guter zukunftsträchtiger Beitrag zur Klimabilanz.

Auch im Haushalt 2022 werden wieder Mittel für die juristische Auseinandersetzung zu den geplanten Einlagerungen und Verlängerungen im BZA eingeplant. Akut droht immer noch die Einlagerung von Castoren aus dem Forschungsreaktor München. Ergebnisse für Ahaus können nur erreicht werden, wenn konsequent juristische Schritte eingeleitet werden.

Bei der Verabschiedung des Haushaltes im letzten Jahr waren wir mitten in der Coronakrise. Nach 2 Jahren ist diese immer noch nicht überstanden und mit der Ukrainekrise ist wieder Krieg in Europa. Die Konsequenzen sind für jeden einzelnen, für Ahaus, für die EU nicht absehbar. Wie kann eine Friedensordnung mit gewaltbereiten Nachbarn aussehen? Die Ukraine wird in jedem Fall große Unterstützung brauchen.

Wir machen es uns mit der Zustimmung zum Haushalt nicht leicht. Uns erschließt sich nicht die erhebliche Steigerung der Grundsteuer B, die bei weitem die Senkung der Gewerbesteuer übersteigt. Leider fanden wir für unsere Forderung nach Aufkommensneutralität keine Mehrheit. Auch bekamen wir keine Zustimmung für den Verzicht auf die zusätzlichen Aufwandsentschädigungen für Ausschussvorsitzende und dem Verzicht auf einen dritten stellvertretenden Bürgermeister. Damit könnte allein eine Personalstelle finanziert werden.

Wir sehen wegen der wachsenden Aufgaben den Bedarf an zusätzlichem Personal. Wir erwarten aber, dass durch die Digitalisierung an anderer Stelle Verwaltungsaufgaben erheblich effizienter erledigt werden können und die betroffenen Personen sich anderen Aufgabe widmen können.

Letztendlich stimmt die UWG-Fraktion dem Haushalt 2022 zu. Es werden zukunftsweisende Projekte auf den Weg gebracht werden. Es gibt viele Herausforderungen, packen wir sie an, treffen wir mutige zukunftsweisende politische Entscheidungen und blicken mit Zuversicht in eine friedfertige Zukunft.

Ahaus, den 29. 3. 2022

Hubert Kersting

UWG-Fraktion