Haushaltsrede 2023

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Voss, sehr geehrte Herren Beigeordnete, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herrn der Presse, sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst möchte ich Herrn Althoff und seinem Team für die Erstellung des umfangreichen Haushalts mit den detaillierten Informationen zu den einzelnen Budgets danken. Weiter bedanken wir uns für die Bereitschaft der Bürgermeisterin und der Herren Beigeordneten Althoff, Leuker und Hammwöhner, unserer Fraktion in einer mehrstündigen Klausur zum Haushalt umfassend Rede und Antwort zu stehen.

UWG Ahaus - Hubert Kersting

Entgegen allen Erwartungen, die sich auch in den Ansätzen im Haushaltsplan wiedergefunden hatten, schloss das abgelaufenen Jahr 2022 dank der guten wirtschaftlichen Verfassung der Ahauser Wirtschaft mit einem unerwarteten Überschuss ab. Genehmigte Kreditlinien brauchten nicht in Anspruch genommen werden. Aus einem Plan-Verlust wurde letztendlich ein überzeugender Gewinn.

Diese Zeiten sind nun vorbei. Die weltpolitische Lage lässt Ahaus nicht unberührt. Als Kommune mit nunmehr über 40.000 Einwohnern trifft sie die Stadtgesellschaft an zahlreichen Stellen. Waren die Energiepreise für die Verbraucher in 2022 beim Hauptversorger Stadtwerke Ahaus stabil, stehen in den Beitragsbescheiden 2023 Preissteigerungen von 80% beim Strom und eine Verdopplung beim Gas.

Diese erheblichen Energiekostensteigerungen gehen einher mit breiten Preissteigerungen. Davon sind zahlreiche Haushalte in Ahaus betroffen. Maßnahmen werden vom Bund und Land beschlossen, umsetzen müssen es die Kommunen. Hier besteht für die Stadtverwaltung die Herausforderung, das Bürgergeld und das neue Wohngeld kurzfristig den Betroffenen zu geben. Das kann nur mit zusätzlichen Mitarbeitern umgesetzt werden.

Der vorliegende Haushaltsplan sieht hier weiteres Personal vor. Auch werden sich durch Umsetzungen Mitarbeiter mit den dringenden Anliegen der Bürger befassen können. Solange die eigentlichen Verwaltungsprozesse mit landesweiten Softwarelösungen noch nicht stehen, sollen hier mit Vorschüssen kurzfristige Engpässe beseitigt werden.

Die steigenden Energiekosten führen bei den städtischen Immobilien zu höheren Haushaltsansätzen. Nun muss Energieverbrauch immer im Zusammenhang mit dem Klimawandel gesehen werden. Die laufenden Daten zum CO2 Beitrag der städtischen Immobilien zeigen einen großen Handlungsbedarf in energetischer Sanierung und klimaneutraler Wärmeerzeugung. Klimakonzepte können entworfen, diskutiert und verabschiedet werden. Damit mehr als ein großes Palaver daraus wird, geht es um die Umsetzung in konkrete Maßnahmen.

Es ist Zeit, als Stadt den Weg zur CO2 Neutralität konsequent einzuschlagen. Das Ausbauprogramm für Photovoltaik auf städtischen Gebäuden zur Eigenerzeugung wird fortgesetzt. Mit dem Klimafond werden private Initiativen unterstützt. Die UWG erwartet, bei der Sanierung von Heizungen in Schulen, Turnhallen und anderen städtischen Gebäuden CO2 reduzierende hybride Lösungen umzusetzen. Hier wird die Verwaltung demnächst ein Ausbauprogramm vorstellen und mit der Politik diskutieren. Der CO2-Ausstoß muss runter.

Aufgabe der Stadtplanung ist es, den Beitrag des Verkehrs zur Klimaneutralität in den nächsten Jahren zu erhöhen. Wir sehen den Vorrang für den Radverkehr im Stadtgebiet. Die Umsetzung des Radwegekonzeptes muss voranschreiten. Verkehrssichere und zeitlich attraktive Radwegeverbindungen sind gesundheitsfördernd und klimaschonend und damit attraktive Alternativen zum Auto.

Der eingeschlagene Weg, Konzentrationszonen für Windkraft einzurichten, schafft tragfähige Kompromisse zwischen notwendiger regenerativer Energieerzeugung und berechtigten Interessen von Anliegern. Hier soll noch in diesem Jahr Rechtskraft geschaffen werden, damit die neuen Windkraftanlagen auch schnellstens gebaut werden können. Bis zu 30 neue Anlagen sind ein großer Beitrag zur klimaneutralen Energieversorgung auch über das Stadtgebiet hinaus. Dass an den Projekten die Bürger beteiligt werden, ist eine entscheidende Voraussetzung.

Skeptisch muss der Ausbau von Flächenphotovoltaik betrachtet werden. Diese steht in Konflikt mit landwirtschaftlicher Nutzung und dem Natur- und Landschaftsschutz. Mit restriktiver Planung muss dieser Ausbau beschränkt werden. Der ungezügelte Ausbau würde nur die Preise für landwirtschaftliche Flächen nach oben treiben und die Nutzung zur Nahrungserzeugung einschränken. In Ahaus sind noch genug Dachflächen auf Wohnhäusern und Gewerbebauten vorhanden, die zur Stromerzeugung genutzt werden könnten. Das sollte Vorrang haben.

Ahaus wird als ländliche Kommune in Zukunft immer auch eine Autostadt sein. Das Stadtzentrum wird Versorgungs- und Gesundheitszentrum für die Stadt und das Umland bleiben. Das Krankenhaus wird einen vergrößerten Einzugsbereich abdecken. Über 10.000 Ein- und Auspendler jeden Tag sichern die Wirtschaftskraft und damit Einkommen für die Familien. Mehr an öffentlichem Nahverkehr kann nur den Autoverkehr reduzieren, aber das Auto nicht ersetzen. Umso wichtiger wird die schnelle Umstellung des Individualverkehrs auf E-Autos sein, begleitet von der regionalen klimaneutralen Energieerzeugung. Mit der Fusion der Stadtwerke Ahaus mit der SVS Stadtlohn, Vreden, Südlohn sind dazu wichtige Schritte eingeleitet worden.

Weltpolitik begegnet einem täglich in Ahaus. Die Zahl der Flüchtlinge, die in Ahaus ankommen, steigt ständig. Die Lage in der Ukraine mit der Kriegslage, der ständigen Gefahr und den großen Zerstörungen zwingt immer mehr Ukrainerinnen und Ukrainer, in der Hauptsache Frauen und Kinder, auch über den Winter hinaus in der Fremde zu bleiben. Aus dem Erdbebengebiet in der Türkei und Syrien ist weiterer Zuzug aus einer großen Notlage abzusehen. Hier werden Unterkünfte und vielfältige Integrationsmaßnahmen ausgebaut werden müssen.

In der Kindergarten- und Schullandschaft findet seit Jahren eine Umwälzung statt. Die Inanspruchnahme von Ganztagsbetreuung schon der Kleinsten ab dem ersten Lebensjahr bis zu den Grundschulen und den weiterführenden Schulen wächst ständig. Demnächst steht ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an.
Seit Jahren müssen deshalb ständig neue Kitaplätze geschaffen werden. Die Prognosen zur Ganztagsbetreuung werden von der Realität eingeholt. Geschaffene Plätze sind schnell vergriffen. Weiterer Bedarf ist absehbar. Auch in Ahaus sind mehrheitlich beide Elternteile berufstätig, immer weniger stehen Großeltern für die Dauerbetreuung bereit.

Diese Tendenz geht in allen Grundschulen weiter. Erweiterungen für den Ganztagsbetrieb sind an jeder Grundschule in Ahaus notwendig. Dazu kommt der Sanierungsbedarf, weil die Schulen in die Jahre gekommen sind. Aabachschule, Josefschule, Andreasschule sind die aktuell laufenden Projekte. Die Irene-Sendler-Gesamtschule war in den letzten Jahren ein Schwerpunkt der Um- und Ausbautätigkeit. Die Anne-Frank-Realschule und das Alexander-Hegius-Gymnasium stehen nun an. Der Erste Schritt mit der Mensa im Josef Cadijn-Haus wird aktuell umgesetzt.

Eigentlich muss alles schneller gehen. Finanzmittel stehen auch in vielen Fällen zur Verfügung, aber auch die ausgeweiteten Personalkapazitäten in der Bauverwaltung reichen trotz Einschaltung externer Planer nicht aus. Mit einer Prioritätenliste der abzuarbeitenden Bauvorhaben wird nun der Investitionsstau kontinuierlich abgearbeitet. Leider verschiebt sich dadurch der wünschbare Ausbau einzelner Grundschulen. Aber realistische Zeitpläne sind akzeptabler als Wunschtermine, die nicht eingehalten werden können.
Der Ausbau kommunaler Leistungen wie Ganztagsbetreuung und Ganztagsschule, Bürgergeld und Wohngeld, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen und Investitionen zur Energiewende kann nur mit qualifiziertem Personal umgesetzt werden. Von Bund und Land wird der Rechtsanspruch auf diese Leistungen beschlossen, die Kommunen aber mit der Finanzierung alleine gelassen. Der aktuelle Haushaltsentwurf ist deshalb strukturell nicht ausgeglichen.

Beschlossen wird von Bund und Land ein Digitalpakt, der umfassende Verwaltungsprozesse für den Bürger digital zugänglich machen soll. Als Zieldatum wird der 31.3.2023 also in 14 Tagen gesetzt. Wie kann man sich solch Ziele setzen, ohne realistischen Umsetzungsplan.

Die Digitalisierungsstrategie in der Stadtverwaltung ist weit vorangeschritten, aber auch von der Zielerreichung noch sehr entfernt. Erforderliche funktionierende zentrale Softwarelösungen bleiben im Wirrwarr der Bund-Länderkompetenzen hängen. Teure Entwicklungsarbeit für vorübergehende Individuallösungen muss deshalb gemacht werden, um zu mindesten örtlich voranzukommen.

Wir sehen in der zunehmenden Digitalisierung gute Möglichkeiten Personal von Standardroutinen abzuziehen, trotzdem die Leistungsfähigkeit der Städtischen Verwaltung aufrecht zu erhalten und personelle Vorrausetzungen für neue Herausforderungen zu schaffen.

Eine frühzeitige intensive Beschäftigung mit dem Thema Künstliche Intelligenz täte uns als „Digitalstadt“ besonders gut. KI wird Prozesse in der Verwaltung optimieren, Ressourcen sparen und die Qualität der Dienstleistungen verbessern. Mitarbeiter erhalten Unterstützung bei komplexen oder wiederkehrenden Aufgaben durch intelligente Assistenten oder Chatbots. Wenn wir eine Digitalstadt sein wollen, sollten und müssen wir uns neben vielen anderen Themen auch damit intensiv auseinandersetzen. Hier können wir kommunal- und verwaltungstechnisch in unserer Region eine Vorreiterrolle übernehmen.

25 Jahre sind es her, dass mit dem Castortransport nach Ahaus der breite Widerstand gegen die Einlagerung von abgebrannten Brennelementen aus Atomkraftwerken deutlich wurde. In Deutschland werden im April die letzten 3 Atomkraftwerke abgeschaltet. Das Kapitel sollte damit abgeschlossen sein, obwohl in der aktuellen Klimadiskussion die Renaissance von verschiedenen Seiten national und international betrieben wird.

Immer deutlicher wird die Bestätigung des immer schon Vermuteten: Das Brennelementelager Ahaus wird zum Ewiglager. Die Verlängerung der Betriebsdauer bis 2058 ist aktuelle Genehmigungslage. Die Verlängerung der Betriebsgenehmigungen für die Ahauser Castoren weit über die ursprünglich genehmigte hinaus ist in Planung.

Verbrauchte Brennelemente aus Forschungsreaktoren in München und Jülich sollen nach Ahaus kommen. In den laufenden Verfahren vor den Gerichten wurde deutlich, dass die zwischen der Stadt Ahaus und dem Betreiber des Brennelementelagers in den 80. Jahren getroffene Ansiedlungsvereinbarung keine öffentliche rechtliche Bindungswirkung hat. Inhaltlich sind hochradioaktive Rückstände nach dieser Vereinbarung ausgeschlossen, aber das spielt bei Genehmigungen der Bezirksregierung wie auch vor dem Verwaltungsgericht Münster keine Rolle. Die Stadt hat keinen Einfluss auf das was eingelagert werden kann, wurde festgestellt.

Die eingeschlagenen juristischen Wege müssen weiterverfolgt werden. Immer mehr wird deutlich, dass die Sicherheitsanforderungen für diese hochangereicherten Materialien aus der Forschung in Ahaus nicht gegeben sind. Die terroristische Gefahrenlage hat sich grundlegend geändert. Die Sicherheitsarchitektur des Lagers ist für aktuelle Szenarien nicht ausgelegt. Die im Haushalt vorgesehen Mittel für die rechtlichen Auseinandersetzungen sind deshalb notwendig.

Wir stehen vor einem herausfordernden Jahr. Der gemeinsam vereinbarte Wohnungsgipfel ist eine Reaktion auf den unter steigendem Druck stehenden Wohnungsmarkt. Der gerade verabschiedete Regionalplan bietet neue Chancen für Gewerbe- und Wohnansiedlung.

Die UWG sieht in dem laufenden Haushalt mit dem Rückgriff auf die Reserven die richtige Reaktion. Es werden zukunftsweisende Projekte auf den Weg gebracht.

Die UWG-Fraktion stimmt dem Haushalt zu. Es gibt viele Herausforderungen, packen wir sie an. Treffen wir mutige Entscheidungen und blicken mit Zuversicht in eine friedfertige Zukunft.

 

Ahaus, den 15. 3. 2023
Hubert Kersting
UWG-Fraktion